ein gutes Jahr Arbeit liegt hinter unserer Weinheimer Initiative „Doch Europa!” Mit Aufklärung und Empathie, mit Herz und Verstand wollten wir die Weinheimerinnen und Weinheimer für die Idee eines vereinten Europa begeistern und sie motivieren, sich an der Wahl des Europaparlaments am 26.5. zu beteiligen.
Die Resonanz auf unsere Veranstaltungen war groß, zum Teil auch überwältigend. Wenn wir alle am kommenden Sonntag Parteien wählen, die sich für einen Fortbestand und eine Vertiefung der europäischen Integration aussprechen, dann werden wir es schaffen. Die große Kulturregion Europa, das Ergebnis Jahrhunderte langen Austauschs und gegenseitigen Lernens darf nicht den nationalistischen Kräften anheim fallen, die an ihrem Zusammenhalt zerren.
Was bei der Wahl herauskommt, werden wir sehen. Auf jeden Fall will die Initiative „Doch Europa!” auch weiterhin das Interesse an der europäischen Politik wach halten und die Arbeit des Parlaments und der anderen EU-Institutionen kommentieren und begleiten.
Liebe Leserinnen und Leser, wir freuen uns, wenn Sie sich zusammen mit uns auch in Zukunft für ein vereintes Europa engagieren.
Beste Grüße Ihre
Alexander Boguslawski Adalbert Knapp Norbert Kramer
Sie kennen das natürlich, die Redensart und das, was gemeint ist. Ob es umgekehrt genau so ist? Da fand am letzten Sonntag in Schwetzingen ein Konzert von Preisträgern des ARD-Musikwettbewerbs statt mit einem Stück von Gideon Klein (1919 – 1945), das er in Theresienstadt, wenige Tage vor seiner Deportation nach Auschwitz geschrieben hatte. Auf dem Programm stand auch die Sonate für Oboe und Klavier von Francis Pulanc (1899-1963), die er dem Andenken von Sergej Prokoviev widmete, der am gleichen Tag wie Josef Stalin, am 5. März 1953, gestorben war. Die zwei europäischen Schlächter des 20. Jahrhunderts kommen in den Sinn, Stalin und Hitler mit ihrem ideologisch angereicherten Nationalismus.
Im Programm folgt ein Quartett für Oboe, Violine, Violoncello und Klavier von dem „begabten Geiger aus der böhmischen Provinz” Bohuslav Martinů (1890 bis 1959), der als Widerstandskämpfer beim Einmarsch der deutschen Truppen über Frankreich in die USA geflohen war, von wo er 1953 als US-Staatsbürger nach Europa, aber nicht in die verlorene Heimat zurückkehren konnte. Wolfgang Amadeus Mozart (1746 bis 1791), der katholische Freimauer, schrieb das g-Moll-Quartett (KV 478) mit 29 Jahren, weilte öfter in Schwetzingen, wo Kurfürst Carl Theodor nicht nur einem Modetrend seiner Zeit folgend, sich als weltoffener, toleranter Herrscher zeigen wollte, indem er in seinen edlen Schlossgarten eine Moschee bauen ließ.
Und dann fällt dem Besucher bei den Märchenbildern von Robert Schumann für Viola und Klavier schon wieder Europa ein. Wie das? Da spielt ein junger chinesischer Bratschist, gerade 25 Jahre alt, mit einer tiefen Innigkeit dieses melancholische, sehr europäisch-romantische Stück und der Hörer denkt darüber nach, was diesen jungen Menschen, der aus einer völlig anderen Kultur kommt, so anrührt, natürlich die „holde Kunst”, die das Tiefste ist, oder doch auch ein wenig „Europa”, wo er jetzt in München studiert? Vita Kan, 1991 in Russland geboren, beruflicher Mittelpunkt derzeit Leipzig, ist die Pianistin. Marius Urba, der Cellist, ist in Litauen geboren, Geigerin Marina Grauman erblickte 1994 in Sankt-Petersburg, einer uralten europäischen Metropole, das Licht der Welt. Zwei Jahre zuvor war die UdSSR untergegangen.
War das Nachdenken über Europa der Echoraum, in dem dieses Konzert zu einem der schönsten in Schwetzingen wurde? An 0,1 Chardonnay-Sekt der Schlossgastronomie lag es sicher nicht allein.
Die Weinheimer Bürgerinnen und Bürger können am Sonntag nicht nur Europa wählen, sie können auch Flagge zeigen. Ab sofort gibt es Europaflaggen mit den 12 Sternen (90 x 160 cm) und „Mast” gegen eine kleine Spende bei der Tourist Information am Marktplatz. Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 10:00 bis 17:00 Uhr, Mittwoch und Samstag von 10:00 bis 14:00 und sonntags von 11:00 bis 15:00 Uhr. Und am Samstag wird von 21.30 Uhr bis 23:30 Uhr die Windeck für Europa leuchten.
Wem der große Wurf gelungen … Das Weinheimer Europafest
Ein Hochzeitsmarsch, natürlich, Europa feiert Gemeinsamkeit, dieses Große Chorfest startet mit einem schwungvollen norwegischen Hochzeitsmarsch des Frauenchors Oberflockenbach, der unter der Leitung von Sabine Nick den Nachmittag des 12. Mai eröffnete. Spätestens beim energetisch vorgetragenen Spiritual „My souls been anchored” sprang der Funke auf das Publikum über.
Zwölf Chöre singen Lieder aus europäischen Ländern oder irgendwie Passendes. Denn, das sei ganz großspurig gesagt: Zu Europa passt fast alles.
Nach einer begeisternden Europafürsprache erfreute Dr. Torsten Fetzner, an der Gitarre unterstützt von Klaus Ackermann aus dem nahen Odenwald, mit den „Nordstadtsingers” und „Tulpen aus Amsterdam”. Es folgten Zwei kleine Italiener, die Tagundnacht-Marina und nicht nur die mittlere Generation sang dank der im Programmheft abgedruckten Liedtexte stimmgewaltig mit. Es folgte die Jugend Europas mit Kindern aus drei Grundschulen. Mit Ulrike Klötzke-Demuth sangen sie zunächst von der „La Ola”-Welle, beeindruckten anschließend mit „The lion sleeps tonight” in einwandfreiem Englisch und warben mit „Anders als du” für Toleranz. Unterstützt vom Jugendchor Heddesheim begrüßten sie das Publikum gekonnt in 11 Sprachen aus der europäischen Union, und das auch noch im Kanon. Es ging weiter mit dem Nachwuchs: Der Jugendchor Heddesheim forderte mit Sabine Nick „Make love not war” und unterstrich diesen Aufruf mit Michael Jacksons Hit „We are the world”. Beeindruckend die Bühnenpräsenz, mit denen die Teenager ihre Lieder zum Vortrag brachten. Der Sängerbund Großsachsen unter dem Dirigat von Elena Kleiser-Wälz beschwor in drei bewegt vorgetragenen Liedern den Frieden. Anne Langenbach brachte gleich zwei Chöre von der Musik- und Singschule Peterskirche mit: Der Gospelchor sang Kompositionen aus Dänemark und Schweden und forderte auf, die „Welt zu verändern und Berge zu versetzen”. Der Jugendchor „vivida banda“ brachte eher ruhige Beiträge mit bemerkenswerter Sicherheit und Klangfülle zu Gehör. Ein Genuss für Auge und Ohr war der Chor „Celtic Songs”. Die Arrangements der mitreißenden Songs stammten aus der Feder des Chorleiters Nicolas Arnold. Die Germania Weinheim unter Walter Muth sang die Hymne „Weinheim wie bist du schön” und brachte – sicher und kräftig-klar intoniert – Lokalkolorit nach Europa. Sehr zur Freude aller Männerchorfans folgte das bekannte Gospelarrangement „Somebody’s callin‘ my name”. Chorleiter Martin Lehr hatte drei Chöre zu einem Projektchor vereint, die mit bemerkenswerter Homogenität im Chorklang die eigens für diesen Anlass getexteten Lieder darboten. Der Chor sang nicht nur gekonnt mehrstimmig, auch das Publikum war bei dem vielsprachigen Kanon „Le coq est mort” dabei.
„Cantus Vivus” unter der Leitung von Wolfram Schmidt brachte das musikalisch wohl anspruchsvollste Programm des Tages zu Gehör. Unterstützt von einem Streichquartett interpretierten sie drei Kompositionen des norwegischen Klangkünstlers Ola Gjeilo, die einiges an Intonationssicherheit abverlangten. Bei der Darbietung des Pop- und Jazzchor Weinheim klatschte und tanzte das Publikum auf dem inzwischen überfüllten Platz begeistert mit. Am Piano begleitet von Chorleiter Norbert Thiemel zeigte der Chor bei „Sing sing sing” auch noch eine passende Choreographie.
Und dann hub sie an, „Freude, schöner Götterfunken!”, die Europahymne. Da ginge es ab und die Energie der rund 600 Sängerinnen war, wenn das ginge, mit Händen zu greifen. Pure Begeisterung: für die Musik, für den Text, für Europa.
Die Moderatoren Katja Hoger und Niko Knapp, die mit Wortwitz und Eloquenz durch den Nachmittag geführt hatten, bedankten sich bei allen Mitwirkenden und den Organisatoren Dr. Adalbert Knapp, Dr. Alexander Boguslawski, Jürgen Osuchowski, Roland Kern und Sabine Nick sowie bei den Sponsoren und Unterstützern.
Bereits während der Veranstaltung wurde der Wunsch nach Wiederholung laut. Und manch ein Zuschauer fragte sich, ob es nicht eine gute Idee wäre, auch in der Europapolitik jede Plenarsitzung, jede Podiumsdiskussion, jede Debatte immer wieder durch gemeinsame Lieder „aufzulockern”.
Sabine Nick
Wieder war Sven Holland von den Weinheimer Jugendmedien dabei und hat das Wichtigste gefilmt. Schauen und hören Sie rein.
Europäische Union: Ihr Erfolge führten in die Krise
Zu ihrer letzten Veranstaltung vor dem Wahltag lud die Initiative „Doch Europa!” in die Volkshochschule ein. Zu Gast war Professor Peter Graf Kielmannsegg, seines Zeichens emeritierter Politikwissenschaftler, der sich zuletzt mit einer Aufsatzsammlung kritisch zur Entwicklung des vereinten Europa zu Wort gemeldet hatte.
Im Gespräch mit Dr. Adalbert Knapp beschrieb Kielmannsegg zunächst den Weg der EU von ihrer Gründung bis heute. Gestartet als „einzig sinnvolle Antwort auf die europäische Kriegsgeschichte des 20. Jahrhunderts” entwickelten sich die europäischen Institutionen in der Folge zu Garanten von Wohlstand und Stabilität in Westeuropa.
In den Erfolgen als Friedens- und Wohlstandsprojekt waren aber zugleich, so beschrieb der Professor das scheinbare Paradox, die Ursachen für die folgenden Krisen angelegt. Es schien logisch und zwangsläufig, dass Europa sowohl erweitert als auch vertieft werden müsste. Die Erweiterung der Mitgliedschaft besonders durch osteuropäische Länder führte aber zu einer schwer handhabbaren Heterogenität, und die Vertiefung der Integration führte immer wieder dort zu Konflikten, wo sich einzelne Länder von Brüssel bevormundet und fremdbestimmt fühlten.
Die Ablehnung einer europäischen Verfassung durch Frankreich und den Niederlanden im Jahr 2005, die Finanzkrise 2008 und die Flüchtlingskrise 2015 brachten die EU mehrmals „an den Rand des Kollaps”, so Kielmannsegg. Besonders in der Flüchtlingspolitik sieht er weiterhin ein großes Konfliktpotential. Auch wenn die Flüchtlingszahlen aktuell niedrig sind, stehe angesichts der krisenhaften Entwicklung in Afrika ein Höhepunkt der Migration möglicherweise erst bevor. Um dem zu begegnen fehle der EU aber bisher ein Konzept, wie man als Staatenbund Asyl, Einwanderung und den Schutz der Außengrenzen gemeinsam regeln wolle.
Auf die Fragen nach der Zukunft der EU antwortete Kielmansegg sehr verhalten. Er kritisierte die Haushalts- und Agrarpolitik, den jüngsten Vorstoß von Präsident Macron zu mehr Integration beargwöhnt er als französische Interessenpolitik, und ob die Zustimmung zu einem vereinten Europa in den Bevölkerungen wirklich so hoch sei, wie es Umfragen nahelegen, bezweifelt er.
Adalbert Knapp gelang es dankenswerterweise, Kielmannsegg am Ende doch noch zu konkreten Aussagen über die Zukunft der EU zu bewegen. Europa, so der Gast, solle sich konkrete Aufgaben vornehmen und nicht eine immer enger verflochtene Union anstreben. In einer zukunftsweisenden Afrikapolitik und in der nachhaltigen Umstrukturierung der europäischen Landwirtschaft sieht er zwei Projekte, die Europa weiterbringen könnten. Auch eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik, zu der sich aber alle teilnehmenden Länder verpflichten müssten, betrachtet Kielmannsegg als erfolgversprechende Zukunftsaufgabe. Bei alldem solle die EU behutsam vorgehen, die Diversität seiner Mitgliedschaft anerkennen und das eine Projekt schneller und andere langsamer voranbringen. Kein flammendes Bekenntnis zu Europa heute, aber einige nachdenkenswerte Vorschläge.
ist ein Aufruf zur Europawahl von Dekanin Monika Lehmann-Etzelmüller des evangelischen Kirchenbezirk Ladenburg-Weinheim und von Dekan Dr. Joachim Dauer vom katholischen Dekanat Heidelberg-Weinheim überschrieben.
10 Gründe, warum Christinnen und Christen sich für Europa stark machen, führen die beiden darin auf, sozusagen einen Europa-Dekalog. Man liest, dass die Namensgeberin nicht aus Europa stamme – zucken, gehört Griechenland nicht zu Europa? – es sollte wohl nur die Brücke ins Ursprungsland des Christentums, Israel, sein, schon wieder zucken, war das nicht in Judäa und Galiläa?
Jedenfalls geht es darum, dass Glaube Mut macht, groß zu denken, es geht um Ökumene, Erinnern anstatt Geschichtsvergessenheit, Wertekanon, Zivilität anstatt Gewalt, Flüchtlinge, Antisemitismus, natürliche Ressourcen,Jugend und und am Ende meinen die beiden: „Unser Glaube ermutigt uns, uns an Schönem zu erfreuen. Europa macht glücklich, denn es bedeutet: sich an der Vielfalt von Menschen, Regionen. Produkten und Sprachen zu freuen, in Freizügigkeit und ohne Grenzpfähle zu reisen, in anderen Ländern leben und arbeiten, die eigene Region lieben und doch im großen beheimatet sein, alte Haltungen durch neue Impulse überdenken, ohne Zölle handeln, Weite spüren, Freundschaften pflegen, einander begegnen, Freiheit wirklich leben, ein gemeinsames Haus haben, Verschiedenheit als bereichernd erfahren. Die glücklichsten Menschen leben in Europa – es wird Zeit sich daran wieder zu erinnern.”
Da versteht man den früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck noch einmal neu und sehr persönlich. „Freiheit”, das ist der Begriff, den Agathe Haastert zuallererst mit Europa verbindet. Sie hat es persönlich noch miterlebt, wie das war, in den 70er Jahren in Rumänien, von wo ihre Familie 1977 ausgewandert ist. Zwei Tage vorher erzählten ihr ihre Eltern davon, dann ging es los und im Übergangswohnheim auf der Rheinau war nach einer Zwischenstation in Rastatt das Ziel erreicht.
Vatermutterundzweikinder im Dreibettzimmer, natürlich Stockbetten, Agathe, 11 Jahre, in der nahe gelegenen Zweizimmerwohnung mit ihren Großeltern. Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Familie auf dem Rohrhof in eine Werkswohnung ziehen konnte, jetzt sei es schon verraten: den Rheinpfälzer Dialekt hat die Familie bis heute bewahrt, europäische Migrationsgeschichte. Ihre Vorfahren wurden von der Österreichischen Hofkammer seit Ende des 17. Jahrhunderts aus verschiedenen Teilen Süddeutschlands und aus Lothringen in der nach den Türkenkriegen teilweise entvölkerten und verwüsteten Pannonischen Tiefebene angesiedelt worden, erzählt die kluge Wiki. Die 11-Jährige erscheint am ersten Schultag im Lieselottegymnasium, „zu Hause” trugen die Kinder in der Schule Uniformen, völlig unpassend, in einem Kostümchen. Die Osterferien haben in Temeswar begonnen und gehen im Mannheim zu Ende. Heute ist Agathe Haastert, M.A. der Romanistik und Germanistik und Personalfachfrau, bei der Volkshochschule eine der vielerfahrenen Kursleiterinnen und Kursleiter in den Integrationskursen für Migrantinnen und Migranten. Sie ist seit der Erfindung dieser Kurse durch das seinerzeit überfällige Zuwanderungsgesetz im Jahr 2005 dabei. Ob die eigene Migrationsgeschichte bei dieser Aufgabe hilft? Ja, natürlich! Selbstverständlich! Sie kennt das, wiewohl aus eigener Sicht seinerzeit auch in gewisser Weise privilegiert im Vergleich zu vielen heutigen Migranten, diese existenzielle Unsicherheit in fast allen Lebensbereichen, die nie ganz aufhört. In ihrem weiteren Arbeitsfeld seit einiger Zeit im Bildungsbüro als Leitung der Fachstelle Beratung (junge) Erwachsene zu Aus- und Weiterbildung (ein Programm übrigens, das durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanziert wird), hat dieser Hintergrund ganz andere, naja, Barrieren abgebaut. Die Kolleginnen haben alle miteinander einen „richtigen” Migrationshintergrund. Da hilft das dann schon bei der Integration.
Die Zeit im Bellini fliegt vorbei, der Zeiger der Rathausuhr eilt, das Glockenspiel von Treu und Redlichkeit ist schon vorbei, der köstliche Cappuccino wird kalt, der Europäischen Referenzrahmen (am Rande sei geflüstert, das war seinerzeit nicht nur in manchen vhs-Kreisen auch so ein europäisches intergouvernementales Dings, Bürokratiemonster, und wurde dann zum großen Vorbild in fast aller Welt, von wegen DSGVO, Datenschutz-Grundverordnung) mit B1 und B2 ist Voraussetzung für dies und jenes. Ein wirklich weites Feld, über das wir reden. Doch davon ein ander Mal.
„Ich gehe langsam. Aber ich gehe nie zurück.”
Bevor es wieder zu Europa geht, muss das Thema 2015 und die Jahre danach drankommen. Also: Da gibt es manch schwierige Geschichte von mangelnder Motivation, Depression und Frustration, von Tränen des Abschieds, wenn der Kurs zu Ende geht. Und da gibt es neben vielen anderen guten Erfahrungen den jungen Mann aus Afghanistan, der mit dem Bild eines Seiltänzers schreibt: „Ich gehe langsam. Aber ich gehe nie zurück”.
Inzwischen übrigens seien es, neben den Menschen aus Bulgarien und Rumänien, wieder immer mehr Leute aus der „alten” EU, die in Kurse kommen, seien es junge italienische Frauen, die den Arbeitsaufenthalt hier für den Spracherwerb nutzen oder auch griechische Einwanderer.
Doch Europa? Doch Europa!
Europa ist von einem dichten Wege- und Straßennetz durchzogen, dessen Entstehung weit in die Vergangenheit zurückreicht. Schon in seiner Kindheit begeisterte sich der niederländische Romanautor Mathijs Deen dafür, dass scheinbar mühelos weit entfernte Städte wie London und Moskau durch eine Straße direkt verbunden sind. In seinem nun erschienen Sachbuch „Über alte Wege. Ein Reise durch die Geschichte Europas” widmet sich Deen den europäischen Straßen und den Menschen, die sich darauf zu neuen Zielen aufgemacht haben. Gründe für einen Aufbruch gab es viele: es waren religiöse, die Suche nach neuen Siedlungsgebieten, Handelsbeziehungen, ein Krieg oder auch so profane wie ein Autorennen, das das Aufkommen der neuen Technik feiern sollte.
So erzählt Deen sehr kenntnisreich und fachlich fundiert von den ersten Europäern (800000 v. Chr.) die bis an die englische Küste gelangt sind, einer Pilgerreise von Grönland nach Rom (1025), aber auch von einem einfachen niederländischen Soldaten, der mit der Napoleonischen Armee (1812) nach Russland in den Krieg ziehen musste, um nur einige Etappen des Buches zu nennen. Ganz nebenbei entsteht so eine kurze Geschichte Europas, eine Zeitreise, die sicher keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, aber durch ihre besondere, fesselnde und auch sehr unterhaltsame Erzählweise besticht. Im Vordergrund der einzelnen Kapitel steht jedoch immer der Lebensweg der Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben. Deen gelingt es dadurch, die Geschichte der Bewohner Europas lebendig und einfühlsam darzulegen, eine Geschichte von Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber trotzdem schon immer eng miteinander verbunden sind.
Ursula Kamerck-Schwind, Buchhandlung Schäffner
Mathijs Deen, Über alte Wege. Eine Reise durch die Geschichte Europas. DuMont 20 €