Auf Einladung der Initiative „Doch Europa“ sprach der bekannte Psychologe Heiko Ernst in der Volkshochschule Badische Bergstraße. Anschließend diskutierte das Publikum engagiert darüber. Am Anfang stand die Feststellung des Redners, dass das soziale Klima geprägt wird von wachsender Feindseligkeit, hoher Empörungsbereitschaft und Wut, von Unversöhnlichkeit bis zum Hass.

Befeuert durch Internet und soziale Medien

Befeuert wird diese Entwicklung durch die Möglichkeit, sich im Internet und in den sozialen Medien völlig enthemmt austoben zu können. Dem zugrunde läge die Unsicherheit vieler Menschen in einer sich schnell verändernden Welt, die zum Beispiel in der Arbeitswelt zu Abstiegsängsten führe. Eine vermisste Anerkennung ist offenbar ein zentraler Faktor, wenn sich Menschen für populistische und autoritäre Propaganda öffnen, so Ernst. Sie „helfe“ bei der Suche nach Verantwortlichen für das, was vom Einzelnen als Bedrohung oder Benachteiligung empfunden wird: Schuld sind die Eliten, die Globalisierung, die EU, die Flüchtlinge, der Feminismus und so weiter. Populisten böten also ihren Anhängern an, ihren Groll, ihre Ressentiments auf ein Ziel zu richten.

Antisemitismus älteste Verschwörungstheorie

Ein anderer Abwehrmechanismus gegen eine „feindselige“ Welt sei das Verleugnen von Tatsachen. „Es gibt keinen Klimawandel und keine Corona-Pandemie, die Globalisierung lässt sich durch Abschottung ganz einfach rückgängig machen!“. Autoritäre Propagandisten bedienen dieses Bedürfnis nach Realitätsverweigerung, so der Psychologe Ernst, und machen daraus ihr eigenes politisches „Programm“.
Als drittes Element autoritärer Propaganda nannte er Verschwörungstheorien. Sie böten am Ende eine „Antwort“ auf das Bedürfnis nach Verstehen, nach Erklärungen für Krisen, Verluste, empfundene oder echte Benachteiligungen oder Kränkungen. Die älteste und verheerendste Verschwörungstheorie sei der Antisemitismus.

Sich für die Gesellschaft einsetzen ist wichtig

Das Publikum diskutierte danach, moderiert von der Leiterin der Volkshochschule, Dr. Cristina Ricca, über diese Befunde des Psychologen. Große Sorgen macht offenbar vielen die uferlose Verbreitung von Hass und Hetze in den sozialen Medien. Früher, so sagte ein Teilnehmer, habe man einen politischen Streit, im Wirtshaus ausgetragen, und danach sei Ruhe eingekehrt. Heute werde ungehemmt und andauernd im Internet gehetzt und gejammert. Vermisst werden neben den ständigen „schlechten Nachrichten“ auch positive Botschaften über unsere Welt und wie man den Herausforderungen zum Beispiel des Klimawandels mit Innovationen und Engagement positiv begegnen könne. Einige Gäste wiesen auch darauf hin, dass es zu begrüßen sei, wenn neuerdings Millionen von Menschen gegen die gefährliche Propaganda der Populisten auf die Straße gingen. Darüber hinaus sei es wichtig, sich selbst vor Ort für die Gesellschaft einzusetzen. Das sei schließlich das Wesen der Demokratie.

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